Die Liebe im Seelenraum des Paares


Die Liebe im Seelenraum des Paares ist eine zärtliche und starke Kraft, welche die je eigene Seele berührt und zugleich einen dritten Raum öffnet, in dem sich die Seelen der Liebenden begegnen.

 

Rilke (1875-1926) beschreibt diese kraftvolle und zärtliche Begegnung in seinem „Liebes-Lied“:

 

Wie soll meine Seele halten, daß sie nicht an deine rührt?

Wie soll ich sie hinheben über dich zu anderen Dingen?

Ach gerne möchte ich sie bei irgendwas

Verlorenem im Dunkel unterbringen

an einer fremden stillen Stelle, die nicht weiterschwingt,

wenn deine Tiefen schwingen.

Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,

nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,

der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.

Auf welches Instrument sind wir gespannt?

Und welcher Geiger hat uns in der Hand?

O süßes Lied.

 

Die Liebe öffnet die Pforte zum beiderseitigen Erkennen. Die Liebenden spüren, dass ihr Herz Heimat im Anderen gefunden hat, einhergehend mit einem tiefen Gefühl der Zugehörigkeit, Verbundenheit, Sinnhaftigkeit und Fülle. 

Wenn sich zwei Menschen verlieben, entsteht ein einzigartiger Seelenraum zwischen den Partner, der sich wandelt und in dem Verliebtheit in Liebe münden kann. 

Wir schweben sozusagen im „siebten Himmel“, erleben eine starke Anziehungskraft und lieben es, begehrt zu werden und selbst zu begehren. Die Leidenschaft entzündet sich „wie von selbst“ und wir genießen jeden Augenblick. 

Die Liebe befriedigt unsere tiefste Sehnsucht nach „Gesehen werden“. Wo wir uns verstanden wissen, da fühlen wir uns zu Hause. 

Um verliebt zu bleiben und Liebe in unseren Beziehungen zu leben, benötigen wir die Fähigkeit der Anteilnahme und Zärtlichkeit. In der Liebe wachsen wir über unsere eigenen, selbstbezogenen Grenzen hinaus. Wir erleben Mitgefühl, und das Glück des Partners liegt uns am Herzen. 

Unsere Seele braucht die Liebe, wie der Körper die Luft zum Leben braucht. In der Wärme der Liebe kann die Seele sie selbst sein.“

(John O´Donohue, 2010). 

Sie entfaltet sich, wird ganz spürbar, und in dieser Freiheit empfinden wir ein kostbares Glück.

 

Um die Liebe zu leben, benötigen wir emotionale Reife. Sie drückt sich aus in der Fähigkeit zuzuhören, in der Möglichkeit, sich in den anderen hineinzuversetzen, das eigene Bedürfnis nach wohltuender Verbundenheit anzunehmen, die Fähigkeit, sich selbst und den Partner im Blick zu behalten sowie Barmherzigkeit zu schenken, wenn es um Vergebung geht. 

Das Gefühl der Liebe ist allumfassend. Sei es die Liebe zu meinem Partner, die Liebe zu meinen Kindern, die Liebe zu Gott, die Liebe zu etwas, das mir nahe steht. Die Liebe ermöglicht, dass Erstarrtes wieder zum Fließen kommt und Kälte sich in Wärme wandelt.

 

...ehe zwei Menschen gemeinsam unglücklich gewesen sein dürfen, müssen sie zusammen selig gewesen sein und eine gemeinsame heilige Erinnerung haben, die verwandtes Lächeln auf ihren Lippen und verwandte Sehnsucht in ihren Seelen bewahrt. Sie werden wie Kinder, die ein Weihnachtsfest zusammen verjubelt; wenn sie ein(ig)e Minuten Aufatmen finden in den langen, blassen Tagen, setzen sie sich zusammen und erzählen sich mit glühenden Wangen von der tannenduftenden Lichternacht...

Solche Menschen gehen durch alle Stürme gemeinsam. Ich fühl´s“.

(Rainer Maria Rilke an Lou Andreas-Salomé 1897)

 

Literatur:

O´Donohue, John (2010): Anam Cara. Das Buch der keltischen Weisheit. dtv, München.

Rilke, Rainer Maria: Ich fühl´s. In: Dirks, Liane (2012, Hrsg.): Wohin das Herz dich trägt. Liebe: Eine literarische Reise. S. 34 f. Herder Spektrum, Freiburg.

Schrankl, Astrid (2012/2013). Auszüge aus: Die Liebe im Seelenraum des Paares. In: Tätigkeitsbericht der Ehe-, Familien- und Lebensberatung Mannheim

  

© Dipl. -Psych. Astrid Schrankl